Leichte Kost vom Skandal-Regisseur

„Don Pasquale” am Bolschoi

Nikolaj Didenko als Don Pasquale (in der Mitte) / Damir Jussupow

Nikolaj Didenko als Don Pasquale (in der Mitte) / Damir Jussupow

Vor drei Jahren, kurz nach der Ernennung Wladimir Urins zum Generaldirektor des Bolschoi-Theaters, wurde für die prominenteste Bühne Russlands ein neuer Kurs proklamiert: Aus dem Theaterhaus mit der alternativlosen Marke „Bolschoi-Ballett“ sollte eines mit zwei gleichwertigen Sparten entstehen: das „Bolschoi-Ballett“ und die „Bolschoi-Oper“. Man startete ein umfangreiches, methodisch fundiertes Programm zur Förderung des Opernnachwuches, engagiert immer wieder kreative russische sowie ausländische Opernsänger, Regisseure und Dirigenten, hinzu kommt eine sorgfältige und unkonventionelle Opernauswahl – die Ergebnisse sind vielversprechend.

Die April-Premiere der Opera buffa von Gaetano Donizetti „Don Pasquale“ auf der Neuen Bühne des Bolschoi-Theaters hat die Opernfans derart begeistert, dass das Theaterpublikum nun gespannt auf die Juni-Aufführungen wartet.

Bemerkenswert ist, dass Donizettis Oper aus dem Jahre 1843 bisher nur zweimal am Bolschoi inszeniert wurde – 1850 und 1872. Das Sujet bleibt nach wie vor aktuell, darum wird die Handlung – unverändert – in die heutige Zeit verlegt. Sie spielt in einer römischen Universität, deren 70-jähriger Präsident Don Pasquale eine junge Frau heiraten möchte, auf die es auch sein Neffe abgesehen hat – die amourösen Intrigen nehmen ihren Lauf. Der Titelheld wird abwechselnd vom Italiener Giovanni Furlanetto sowie dem Russen Nikolaj Didenko verkörpert – beide auf gleich hohem musikalischem sowie schauspielerischem Niveau. Eine komische Oper sorgt meist für einen Augen- und Ohrenschmaus, und auch diesmal erweist sich der lustige sowie ernste „Don Pasquale“ als das reinste Publikumsvergnügen.

Der polnische Dirigent Michał Klauza meint, dass diese Oper von der italienischen Sonne sowie dem Streben nach Glück durchdrungen sei. Und das alles vollzieht sich im flinken Tempo der wunderbaren Musik Donizettis. „Ich verliebte mich gleich in diese Musik. Wenn mir die Musik nicht gefallen hätte, ich hätte mich nicht an die Inszenierung gemacht“, gesteht der Regisseur Timofej Kuljabin.

Kuljabin war bisher vor allem wegen seiner Inszenierung von Richard Wagners „Tannhäuser“ in Nowosibirsk bekannt, die vor etwa einem Jahr für einen Skandal sorgte: Die Kirche warf Kuljabin vor, religiöse Gefühle zu verletzen, konnte sich vor Gericht aber nicht damit durchsetzen. Trotzdem wurde der Theaterdirektor gefeuert und das Stück abgesetzt. Bei der Moskauer Theaterpreisverleihung „Goldene Maske 2015“ skandierte das aufgebrachte Publikum während des Auftritts des russischen Kulturministers empört „Gebt uns den Tannhäuser zurück“. Der harmlose „Don Pasquale“ bietet wohl keine Anlässe für einen Skandal, hat aber dafür gute Aussichten auf einen bedeutenden Theaterpreis.

Und noch ein Tipp zum Schluss. Am 22. Juli ist auf der Großen Bühne des Bolschoi noch etwas ganz Einzigartiges zu erleben: Peter Stein, einer der wichtigsten Goethe-Interpreten der Gegenwart, inszeniert die weltbekannte dramatische Legende – die Oper „Fausts Verdammnis“ von Hector Berlioz. Der Moskauer Musik-Sommer könnte somit in diesem Jahr recht heiß ausfallen.
Tatjana Dattschenko

 

3. bis 6. und 8. Juni, 19 Uhr
Neue Bühne des
Bolschoi-Theaters
Teatralnaja pl. 4/2
M. Teatralnaja
(495) 455 55 55
www.bolshoi.ru

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