Kampf der letzten Giganten

Pavel Pepperstein seziert mit Kafka und Malewitsch das Ende der Geschichte „Miracles in the Swamp“ ist Pavel Peppersteins neustes Projekt. Aus den Sümpfen, einer Fantasielandschaft der Geschichte und Gegenwart, lässt er das Schwarze Quadrat, Meister Yoda und andere Fantasiewesen auftauchen. 

„Attacke auf den Sumpf“: Suprematismus meets Meister Joda / Galerie Regina

„Attacke auf den Sumpf“: Suprematismus meets Meister Joda / Galerie Regina

„Attacke auf den Sumpf“: Suprematismus meets Meister Joda / Galerie Regina Etwas verloren aber doch entspannt hockt Meister Yoda im Trümmerfeld eines weiten Sumpfs. Über ihm: eine Armada von Dreiecken im Stil des Suprematismus, die drohen auf ihn herabzustürzen. „Attacke auf den Sumpf“ steht da in großen Lettern. Es ist ein typischer Pavel Pepperstein: Die russische Avantgarde ist in seinen Arbeiten immer präsent, als ironisches Zitat oder als Hieroglyphe in einer ziemlich gegenwärtigen Welt. Sie ist ein Instrument, um den Blick in eine Zukunft zu wagen, die es so niemals geben wird.

Das Bild ist eines von einem guten Dutzend großformatigen Gemälden und etwas kleineren Illustrationen der Ausstellung „Miracles in the Swamp“, die noch bis zum 28. Mai in der Moskauer Galerie Regina zu sehen ist. Wie meist, hat Pepperstein die Ausstellung mit einem kompakten und teilweise fantastischen Theorieapparat unterfüttert. Diesmal geht es um das Ende der Geschichte – von der postmodernen Theorie vorhergesagt und doch nicht eingetreten.

1966 geboren, gehört Pepperstein zur Generation „No Future“, mit dem Ende der Blöcke erlebte er zumindest das Ende eines Teils der großen Erzählungen. In den retrofuturistischen Fantasiewelten verhandelt er seither die ausstehende Zukunft – in „Victory over the Future“ etwa, seinem Beitrag zur Biennale in Venedig 2009 genauso Thema wie in der letzten Ausstellung „Hunters of the Marble Heads (archeology of the future)“ in St. Petersburg.  Sein Hauptmotiv, den Sumpf, hat Pepperstein von Franz Kafka entliehen. Für den war der Sumpf die einzige Kraft, die sich der Geschichte entgegenstellt. „Alles versinkt in ihm und bleibt doch erhalten“, fasst Pepperstein zusammen. Gegen Kafkas Hoffnung lässt der Künstler Kasimir Malewitsch antreten, der als Begründer des Suprematismus für das Ende der Geschichte steht. Jeder der Kontrahenten bekommt seine Unterstützer: Hinter Malewitsch stehen Politiker, Manager und andere Agenten der Abstraktion; hinter Kafka blühende Seerosenlandschaften, Meister Yoda und Fantasiegestalten.

Das hell grundierte Bild „Kafka, Lord of the Swamps“ zeigt den Schriftsteller in einem Anzug aus geometrischen Figuren bis zur Brust im Sumpf, eine gesichtslose Persiflage auf Malewitschs Bauern. Den Kopf spaltet ein rotes Dreieck nach El Lissitzky. Ein anderes, großformatiges Gemälde ist schwarz grundiert. Aus der Mitte erhebt sich trotzig ein silbernes Schwert, wie die New Yorker Freiheitsstatur aus dunklen Fluten. „Revenge of the Swamp – Excalibur“ heißt es. Am Horizont droht ein pastellfarbener Farbtornado die Rache zu ersticken.

Einige Bilder sind sehr abstrakt, herunter gebrochen auf ihre Komponenten, dekonstruiert in Striche. Neben einer angedeuteten Seerose etwa versinkt Malewitschs Schwarzes Quadrat. Es ist tröstlich, dass es auf anderen Bildern immer wieder auftaucht: als Gemälde, als vollständige geometrische Figur oder in Einzelteilen.

Trotz allem, trotz Abstraktion und kaligraphischen Slogans oder Überschriften im Stil des Agitprop, bleibt Pepperstein ein figurativer Maler. Seine Zeichnungen illustrieren Kinderbücher, seine Titel und Untertitel erzählen kleine Geschichten. Dass einer seiner Helden ausgerechnet Kasimir Malewitsch ist, jener Maler, der für die Negation des Bildes als Abbild steht, ist ironisch. Aber das ist nur einer jener großen, historischen Widersprüche, die Pepperstein weiter verdreht. Und sich über deren Schwere mit Ironie zu erheben, das ist wirklich große Kunst.

Sonja Vogel

Bis 28. Mai Galerie Regina 4.
Syromjatnitscheskij per. 1 M. Kurskaja,
M. Tschkalowskaja +7(495)228-13-30
www.reginagallery.com

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