Flirt mit dem Ausland: Russlands größte Universität versucht es mit Englisch

Wo Russlands künftige Beamte ausgebildet werden, gibt es ab Herbst einen vollständig englischsprachigen Studiengang. Das ist aus zwei Gründen etwas Besonderes: Solche betont internationalen Studiengänge sind für Russland Neuland. Und ein altgedienter deutscher MDZ-Autor ist dort zum Professor ernannt worden.

Von Michael Lechner

Eine Präsidenten-Uni will internationaler werden. Im Bild eine Teilnehmerin des „Gaidar-Forums“, das die RANEPA ausrichtet / RIA Novosti

Eine Präsidenten-Uni will internationaler werden. Im Bild eine Teilnehmerin des „Gaidar-Forums“, das die RANEPA ausrichtet / RIA Novosti

„Mit der fortschreitenden Entwicklung der Hochschullehre wurden internationale Studiengänge wichtige Bestandteile für jede Universität rund um dem Globus“, berichtet Natalija Abramowa. Sie ist Direktorin des zum Wintersemester 2016/17 beginnenden Bachelor-Studiengangs „Global Governance and Leadership“ an der „Russian Presidential Academy of National Economy and Public Administration“ – kurz RANEPA.

1977 wurde die Hochschule (damals noch ANE) gegründet. Vor jetzt sechs Jahren wurde sie durch ein präsidiales Dekret mit der RAPA-Hochschule und zwölf weiteren regionalen Akademien zur RANEPA zusammengelegt. Mit fast 200 000 Studierenden, die sich auf Moskau und 57 Filialen in ganz Russland verteilen, ist sie nun die zahlenmäßig größte Universität Russlands, unter den human- und gesellschaftswissenschaftlichen Unis wohl auch die größte Europas. An ihr werden die Studierenden auch für die Beamtenlaufbahn ausgebildet, zu leitenden Mitarbeitern in der öffentlichen Verwaltung und den Staatsbetrieben geformt. Hier wird die zukünftige Elite des Landes erzogen.

Mit dem neuen, erstmals rein englischsprachigen Studiengang „Global Governance and Leadership“ wird nun ein neues Kapitel aufgeschlagen. Hier sollen nicht nur die besten Studierenden Russlands, sondern auch aus dem Ausland unterrichtet werden – sowohl von erfahrenen russischen Lehrkräften als auch Gastprofessoren aus aller Welt. Die Direktorin Abramowa erklärt, dass es für die Hochschule ein großes Anliegen sei, den Anteil ausländischer Studierender kontinuierlich zu erhöhen. So sollen für den neuen Studiengang fünf Stipendien an vornehmlich deutsche Bewerber vergeben werden. Die monatlichen Lebenshaltungskosten für Unterbringung, Verpflegung und öffentliche Verkehrsmittel in Moskau schätzt die RANEPA-Verwaltung auf bescheidene 400 Euro. Für die ausländischen Stipendiaten entfallen die Studiengebühren in Höhe von 360 000 Rubel (etwa 5000 Euro) pro Jahr. Für Abramowa ist es wichtig, mit solchen Maßnahmen internationale Studierende an die RANEPA zu locken. Damit soll vor allem eine „interkulturelle Umgebung“ geschaffen und das Potenzial zukünftiger Führungskräfte aus dem Ausland ausgeschöpft werden. Damit verspricht sich die Direktorin von den internationalen Studierenden einen „wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert für das Gastgeberland“.

Eine weitere Besonderheit für eine russische Hochschule ist die internationale Zusammenarbeit mit anderen akademischen Einrichtungen und Organisationen. So werden die Studierenden im Zuge eines Studentenaustauschprogramms auch an der Universität von Bologna ausgebildet werden und haben die Möglichkeit, Auslandspraktika in multinationalen Unternehmen zu absolvieren.

Außerdem bringt die RANEPA die 25 Studierenden dieses Studiengangs in Kontakt mit Experten aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Zum Beispiel können die Studierenden am jedes Jahr im Januar stattfindenden „Gaidar-Forum“ der Hochschule teilnehmen. Bei dem Wirtschaftsforum treffen sich internationale Eliten, um über aktuelle wirtschaftliche und politische Themen zu diskutieren.

Auch inhaltlich will die Präsidenten-Hochschule den Studierenden viel bieten. Sie sollen sich Kenntnisse in den Bereichen Psychologie, Recht, Wirtschaft und Finanzen erarbeiten. Darüber hinaus will man ihnen beibringen, „ethisch tragbare Entscheidungen“ zu treffen und selbstbewusst Verhandlungen zu meistern. Wichtige Aspekte dabei sind vor allem die sensiblen „interkulturellen Beziehungen“ zwischen Geschäftspartnern, politischen Akteuren und generell in zwischenmenschlichen Bereichen. Für diese Lehrfelder wurde auch der langjährige MDZ-Autor Frank Ebbecke zum „Außerordentlichen Professor“ berufen. Er sagt: „Krisen politischer und wirtschaftlicher Prägung gehen früher oder später vorüber. Russland bleibt ein Land und ein Markt mit enormem Entwicklungspotential, eben auch in Hinblick auf die Karriereplanung junger Leute. Hier gleich von Beginn an durchzustarten, kann ein entscheidender, persönlicher Wettbewerbsvorteil sein.“

Abramowa berichtet, das bisher sieben Bewerbungen aus Italien, zwei aus Nigeria sowie Ungarn und je eine aus Bulgarien, Finnland, Lettland, Moldawien und Usbekistan vorliegen. Dabei hat die Universitätsleitung insbesondere Deutsche als Zielgruppe ausgemacht. Die bisher fehlenden Bewerbungen aus Deutschland könnten mit dem niedrigen Alter von Bachelorstudierenden oder auch Schülern zusammenhängen, schätzt Tobias Stüdemann. Er ist Leiter des Verbindungsbüros der Freien Universität Berlin in Moskau. Die Anzahl der Bewerbungen werde maßgeblich davon abhängen, „inwieweit sich die Schüler überhaupt zutrauen, so einen Studiengang zu machen und ob es gelingt, gewünschte Zielgruppen zu erschließen“. Seiner Meinung nach sind vor allem die frühen Bewerbungsfristen des Studiengangs eine Herausforderung für die Vermarktung. Nichtsdestotrotz schätzt Stüdemann, den Ansatz der RANEPA einen englischsprachigen Studiengang anzubieten, für wichtig und außergewöhnlich. Damit und mit der Zusammenarbeit mit der Universität von Bologna werde die Internationalisierung vorangetrieben.

Stipendium

Auch deutsche Studenten gesucht

Über Bewerbungen aus Deutschland würde sich die Universität besonders freuen, heißt es aus eingeweihten Kreisen. Wer ein Stipendium für die acht Semester Vollzeitstudium des ersten englischsprachigen Bachelor-Studiengangs „Global Governance and Leadership“ ergattern möchte, sollte sich beeilen. Die Bewerbungsfrist endet bereits am 31. Mai. Detaillierte Informationen im Internet unter ion.ranepa.ru oder telefonisch unter +7 (499) 925 29 05.

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